Verfolgung im Nationalsozialismus

Margot Friedländer

Margot Friedländer

Margot Friedländer ist am 5. November 1921 in Berlin geboren. Sie wuchs als Tochter von Adolf und Auguste Bendheim in einer assimilierten jüdischen Familie auf. Die Eltern trennten sich, als sie etwa zehn Jahre alt war. Sie lebte mit ihrem jüngeren Bruder Ralph und der Mutter in BerlinKreuzberg. Obwohl die Familie jüdisch war, spielte Religion keine große Rolle im Alltag. Dies war eine typische Lebensweise vieler assimilierten Juden in der Weimarer Republik.

Mit der Machtübernahme von Hitler 1933 beginnt schrittweise die Entrechtung der jüdischen Bevölkerung in Deutschland. Zu dem Zeitpunkt ist Margot 11 Jahre alt. Sie erlebt schon in der Schule und auch im Alltag antisemitische Anfeindungen. In der Schule wird sie von Lehrern anders behandelt und Mitschüler grenzen sie aus. 1936 musste Margot auch ihre eigentliche Schule verlassen, um auf eine jüdische Schule zu wechseln. Etwa 1938 beginnt sie eine Ausbildung als Schneiderin. 1935 verliert die jüdische Bevölkerung, aufgrund der Nürnberger „Rasse“-Gesetzen, ihre deutsche Staatsbürgerschaft.

Die Familie wird ökonomisch immer mehr entrechtet. Die „Arisierung“ von jüdischem Eigentum bedeutet, dass sie keine Jobs mehr bekommen, kein Vermögen mehr haben dürfen und allgemein keine Rechte mehr haben. In Berlin werden jüdische Wohnungen geräumt. Es folgen Zwangsumzüge in sogenannte „Judenhäuser“. Im September 1941 muss Margot (wie alle jüdischen Berliner) den gelben „Judenstern“ tragen, welches zu einem öffentlichen Stigma beiträgt. Es beginnen die Deportationen aus Berlin und immer mehr Freunde, Verwandte und Nachbarn „verschwinden“. Auch Margots Familie erhält ebenfalls die Aufforderung zur Deportation. Sie wird im Januar 1943 zur Zwangsarbeit verpflichtet und arbeitet in der Berliner Chemiefabrik Haarmann & Reimer.

Schließlich wird Margots Bruder Ralph Bendheim von der Gestapo abgeholt, bei diesem folgt ihre Mutter freiwillig, um nicht von ihrem Sohn getrennt zu werden. Kurze Zeit später werden die beiden in das KZ Auschwitz-Birkenau deportiert und dort ermordet. Margot selber ist bei der Abholung ihres Bruders und ihrer Mutter nicht zu Hause. Als sie nach Hause kommt, findet sie einen Abschiedsbrief von ihrer Mutter mit den letzten Worten: „Versuch, dein Leben zu machen“. Daraufhin taucht sie erstmal unter.

Sie schafft es für ungefähr 15 Monate in Berlin unterzutauchen und lebt in Illegalität. Ihre Helfer sind meist Bekannte oder mutige Mitbürger, darunter auch Nichtjuden, die ihr Essen, Kleidung und am wichtigsten eine neue Identität verschaffen. Sie lässt sich ihre „auffällige“ Nase operieren, um „arischer“ auszusehen und färbt sich ihre Haare rot. Sie lebt in ständiger Angst und ihre Wohnungslosigkeit zwingt sie dazu regelmäßig ihr Versteck zu wechseln. Schließlich wird sie von einem jüdischen Spitzel, welcher mit der Gestapo kooperiert, erkannt und von der Gestapo verhaftet. Zunächst wird sie in das Gestapo-Gefängnis Schulstraße gebracht. Danach kommt sie ins JudenSammellager Große Hamburger Straße, ein ehemaliges jüdisches Altersheim, das von den Nazis zur Zwischenstation für Deportationen umfunktioniert wurde.

Im Mai 1944 wird sie mit einem Transport in das KZ Theresienstadt in Böhmen deportiert. Es herrschen schwere Bedingungen (Mangelernährung, Krankheiten und Überfüllung). Dennoch überlebt sie. Das Lager war als „Altersghetto“ und „Vorzeigelager“ gedacht, um das Ausland über die wahren Zustände im NS-System zu täuschen. Dies schützt sie vermutlich vor der Deportation nach Auschwitz. Am 8. Mai 1945 wird Theresienstadt von der Roten Armee befreit und Margot Friedländer ist in Freiheit.

Nach dem Kriegsende emigrierte Margot Friedländer 1946 in die USA, wo sie später ihren Ehemann Adolf Friedländer heiratete, einen deutschen Juden, den sie in Theresienstadt kennengelernt hatte. Das Paar ließ sich in New York nieder, wo Margot ein ruhiges Leben führte. Über Jahrzehnte sprach sie kaum über ihre Vergangenheit. Erst nach dem Tod ihres Mannes 1997 begann sie, sich intensiver mit ihrer Vergangenheit auseinanderzusetzen. 2003 reiste sie erstmals wieder nach Berlin. Es folgten viele weitere Besuche, Schulbesuche, Lesungen, Gespräche mit Jugendlichen. 2010 entschloss sich Margot Friedländer, dauerhaft nach Berlin zurückzukehren.

Noch am 7. Mai 2025 sprach sie im Roten Rathaus zum 80. Jahrestag des Kriegsendes in Deutschland. Am 9. Mai 2025 verstarb sie im Alter von 103 Jahren in Berlin.

„Es ist nicht eure Schuld, was damals geschah. Aber es ist eure Verantwortung, dass es nicht wieder geschieht.“
~ Margot Friedländer

Begriffserklärungen:

Assimilation: Assimilieren bedeutet, dass sich eine Person oder Gruppe an eine andere Kultur, Sprache oder Gesellschaft anpasst, sodass Unterschiede verschwinden oder weniger auffallen.

Stigma: Ein Stigma ist ein negatives Merkmal oder eine Eigenschaft, das einer Person oder einer Gruppe von außen zugeschrieben wird und das dazu führt, dass diese abgewertet, ausgegrenzt oder diskriminiert wird.